Landwirtschaftliche Methanemissionen nutzbar machen

Interview mit Victor Anspach, Mitglied der Geschäftsleitung von Ökostrom Schweiz

Victor Anspach (rechts) mit Georg Müller, Besitzer der abgebildeten Biogasanlage in Steckborn.

Welchen Beitrag leisten Biogasanlagen zum Klimaschutz?

Rinder- und Schweinegülle, aber auch Mist aus der Landwirtschaft werden normalerweise in offenen Systemen wie der Güllegrube und dem Misthaufen gelagert. Bei dieser nicht gasdichten Lagerung kann Methan ungehindert in die Luft entweichen und so grossen Schaden für das Klima verursachen. Denn Methan ist einer der grössten Emissionsfaktoren in der Landwirtschaft und ist 28-mal so schädlich wie CO₂. Der massgebliche Klimaschutzeffekt entsteht dadurch, dass der Hofdünger möglichst schnell in eine Biogasanlage transportiert wird. Dadurch kann das Methan in einem geschlossenen System aufgefangen und verbrannt oder anderweitig genutzt werden.

Welche Vorteile hat das Klimaschutzprogramm «Landwirtschaftliche Biogasanlagen»?

Die Wirkung auf das Klima wird effektiv gemessen und die ausgewiesene Leistung der Anlage wird am Ende adäquat honoriert. Die Förderbeiträge leisten einen wichtigen Beitrag für die Finanzierung einer solchen Anlage. Zudem macht das Programm Landwirte und Landwirtinnen, die ihren Hofdünger noch in offenen Systemen lagern, auf den Klimaschutzeffekt aufmerksam. 

Wie viele Tonnen Emissionsreduktionen hat das letzte Prüfungsjahr ergeben?

Für das Jahr 2021 resultierte bei 23 Biogasanlagen eine Emissionsreduktion von rund 7’000 Tonnen. Für das Jahr 2022 erwarte ich rund 7’500 Tonnen bei 29 Anlagen.

Kann der Klimaschutz mit dem Klimaschutzprogramm effektiv gemessen werden?

Die Förderbeiträge des Klimaschutzprogramms basieren auf dem Nachweis der Emissionsreduktionen. Zu diesem Zweck haben wir ein Monitoringsystem entwickelt. Damit können die Mengen an Hofdünger und anderen Substraten, die in die Anlage eingegangen sind, aber auch der Wert der produzierten Energie gemessen werden. Dies liefert den genauen Überblick darüber, was die Anlage geleistet hat. Um genaue Aussagen treffen zu können, haben wir ein Referenzsystem definiert, das auf den Zahlen eines Betriebs ohne installierte Biogasanlage basiert. Hierfür stehen Daten zu den Methanemissionen eines landwirtschaftlichen Betriebs zur Verfügung, die auf den Daten des IPCC-Berichts basieren.

Wie stark müsste der Zuwachs an landwirtschaftlichen Biogasanlagen sein, damit das Potenzial ausgeschöpft werden könnte?

Etwa 22 Millionen Tonnen Hofdünger fallen in der Schweiz jährlich an. Aktuell gehen in der Schweiz davon nicht einmal 5 Prozent in die Vergärung. Dies ist ungenutztes Potenzial. In anderen Ländern sind es weitaus mehr Prozente. In Deutschland beispielsweise sind es 30 Prozent und in Dänemark sogar über 40 Prozent des Gesamtvolumens. 

«Etwa 22 Millionen Tonnen Hofdünger fallen in der Schweiz jährlich an. Da gibt es ein grosses ungenutztes Potenzial!»

Woran liegt das?

Viele Projekte scheitern, weil die Wirtschaftlichkeit nicht klar ersichtlich ist. Für die Betreiber und Betreiberinnen einer Landwirtschaft ist das Risiko bezüglich der Kosten oft zu hoch. Ausserdem ziehen sie zurzeit keinen grossen Ertrag daraus, die Rentabilität ist nicht gegeben. Regulatorische Hürden, die oft unvorhersehbar dazukommen, erhöhen die Kosten. Zudem schaffen immer neue Auflagen zusätzliche administrative Aufgaben. 

Wie kann Ökostrom Schweiz die Landwirte und Landwirtinnen in solchen Fällen unterstützen?

Teilweise können wir Abklärungen oder administrative Aufwände übernehmen. Innerhalb des Klimaschutzprogramms der Stiftung KliK wird Ökostrom Schweiz aktiv. Denn die Förderung wird erst nach Abschluss des ersten Monitorings ausbezahlt. Das sind oft zwei, drei Jahre nach Inbetriebnahme. Wir versuchen hier Hilfestellungen zu geben, indem wir uns dafür einsetzen, dass die Projekte über das Klimaschutzprogramm bereits während der Inbetriebnahme unterstützt werden.

Ökostrom Schweiz hat aus Biogasanlagen Klimaschutzprojekte gemacht. Wie machen Sie auf das Programm aufmerksam?

Wir haben es geschafft, dass nahezu alle neuen landwirtschaftlichen Biogasanlagen an irgendeinem Klimaschutzprojekt teilnehmen können, sei es auf dem freien Markt oder auf dem verpflichtenden Markt mit der Stiftung KliK. Das Programm der Stiftung KliK richtet sich an alle neuen landwirtschaftlichen Biogasanlagen. Interessierte werden schnell auf Ökostrom Schweiz aufmerksam und melden sich bei uns als Mitglied an. Bereits während der Planungsphase machen wir sie auf das Klimaschutzprogramm aufmerksam. Ökostrom Schweiz begleitet in der Planungs- und Umsetzungsphase und stellt sicher, dass die Anmeldung zum Klimaschutzprogramm relativ früh stattfindet.

Landwirtschaftliche Biogasanlagen
Am Klimaschutzprogramm können alle landwirtschaftlichen Biogasanlagen teilnehmen, die die Teilnahmebedingungen erfüllen. Die kleinste Anlage, die am Programm teilnimmt, bringt eine Leistung von 16 Kilowatt und vergärt nur die Gülle des zugehörigen Betriebs und etwas Mist. Die grössten Anlagen bringen hingegen eine Leistung von 1 Megawatt bzw. haben bis zu 50'000 Tonnen Verarbeitungskapazität. Mittlerweile haben sich über 90 Anlagen am Programm angemeldet.