Was Migros-Eistee und Kälteanlagen gemeinsam haben
Das Förderprogramm Klimafreundliche Kälte der Stiftung KliK besteht seit 2016. Bisher wurden 542’000 Tonnen CO₂ mit klimafreundlichen Kälteanlagen oder Kühlmitteln eingespart – bis 2030 sollen es insgesamt rund 630’000 Tonnen sein. Einen grossen Anteil daran hat der Detailhandel. Eines der ersten Unternehmen, das am Förderprogramm teilnahm, ist die Migros mit der Filiale Schweizerhof in Luzern.
Der Raum, den wir durch die Einfahrt zur Tiefgarage betreten, ist klein und vollgestellt mit Geräten, Leitungen und Rohren. Es ist eng und laut, die Geräusche verändern sich alle paar Minuten. Messgeräte zeigen Temperatur und Druck an, auf elektronischen Displays leuchten etliche weitere Angaben. So also sieht die klimafreundliche Kühlanlage der Migros-Filiale im Schweizerhof in Luzern aus. Etwas düster, unscheinbar, sehr technisch.
Thomas Sigrist, Leiter Gebäudetechnik Planung bei der Genossenschaft Migros Luzern, führt uns gemeinsam mit dem Kältefachmann Marcel Bärtsch, der die Anlage geplant hat, durch den Raum. 2016 war die damalige Kühlanlage vorzeitig ersetzt worden, obwohl sie noch einige Jahre hätte weiterlaufen können – allerdings nur mit einem klimaschädlichen Kühlmittel. «Die Migros setzt sich seit 2010 strenge Klimaziele», führt Thomas Sigrist aus. Vor knapp zehn Jahren stand aufgrund von Kundenbedürfnissen ein Ausbau der gekühlten Angebote an, und damit auch ein Umbau in der Filiale. «In Anbetracht unserer Klimaziele war der Wechsel zu klimafreundlicher Kühlung ein logischer Schritt», erklärt der Fachmann für Gebäudetechnik. Bei der Planung erfuhr er durch Marcel Bärtsch vom Förderprogramm der Stiftung KliK.
Das war ausgesprochen hilfreich, denn: Langfristige Klimaziele und Nachhaltigkeitsstrategien von Unternehmen allein bezahlen noch keine neue Kälteanlage. «Förderprogramme tragen massgeblich dazu bei, dass Investitionen in klimafreundliche Technologien auch tatsächlich getätigt werden», meint Thomas Sigrist.
Fast 150 Laufmeter klimafreundlich gekühlt
Die Kälteanlage in der Migros-Filiale im Schweizerhof funktioniert mit dem natürlichen Kühlmittel CO₂. Das Besondere an der Installation sind einige vertikal übereinander angeordnete isolierte Ventile. «Das sind sogenannte Ejektoren», erläutert Kältefachmann Marcel Bärtsch. Sie werden eingesetzt, um die Effizienz der Kälteanlage zu steigern. Bevor das CO₂ über die Leitungen zu den Kühlmöbeln der Ladenfläche gebracht wird, muss es verdichtet werden (zur Funktionsweise der Kühlanlage siehe Infobox). Die Ejektoren sorgen dank einer Vorverdichtung des Gases für mehr Effizienz in der Weiterverdichtung.
Heute sind solche Ejektoren bei klimafreundlichen Kälteanlagen mit dem Kältemittel CO₂ Standard, erläutert Bärtsch. 2016, beim Umbau der Migros, war diese Technologie noch recht neu. «Wir wollten damit bewusst eine Vorreiterrolle einnehmen», betont Thomas Sigrist und ergänzt: «Wir sagten uns: wenn schon, denn schon. Dies ist sicher auch ein Effekt des Förderprogramms: Neue Technologien werden so eher eingesetzt und können sich etablieren.»
Auch für Komfortwärme ist gesorgt
Aus dem etwas beengten Kühlanlagenraum in der Tiefgarage führt uns Thomas Sigrist ganz nach oben auf das Dach des Gebäudes. Nach einer kurzen Kletterpartie über die Dachleiter erblicken wir im Hintergrund den Vierwaldstättersee. Doch nicht darauf lenkt Thomas Sigrist unseren Blick, sondern auf den Dachaufbau davor: ein langes Rechteck mit zahlreichen Ventilatoren. Wir stehen vor dem Gaskühler. Marcel Bärtsch ermuntert uns, zwei der Rohre an der Konstruktion nacheinander anzufassen. Das erste ist warm, das zweite kühl. Er erklärt: «Durch das erste Rohr fliesst das warme Kältemittel. Abwärme, die nicht genutzt werden kann, muss über den Gaskühler abgekühlt werden. Dieser saugt die Umgebungsluft an und kühlt damit das CO₂ ab. Über das kühle Rohr fliesst es wieder zurück zur Kälteanlage.»
Einen grossen Teil der Abwärme, die durch die Kälteanlage generiert wird, nutzt die Migros-Filiale für die Heizleistung. Dank der Fördergelder für klimafreundliche Kälte konnte die Migros am Standort Luzern den Klimanutzen sogar noch weiter steigern und die Wärmeversorgung mit einer neuen Wärmepumpe, die in die Kälteanlage integriert ist, nachhaltiger gestalten.
Unternehmen als Treiber für den Klimaschutz
Auf die Frage, wie Klimaschutz in Unternehmen und ganz konkret im Detailhandel künftig gesteigert werden könne, meint Kälteplaner Marcel Bärtsch: «Am hilfreichsten sind Vorschriften.» Er nennt als Beispiel die Chemikalien-Risikoreduktions-Verordnung (ChemRRV) des Bundes, die ab 2030 Kältemittel mit einem Treibhauspotenzial (GWP) von 2’500 oder mehr gänzlich verbietet.
Im Bereich Technologien sieht Marcel Bärtsch die Zukunft vor allem «in der Kombination und der Optimierung von verschiedenen Systemen im selben Gebäude – wie hier in der Migros das Kälte- und das Heizsystem ». Als in der Schweizerhof-Filiale vor knapp zehn Jahren umgebaut wurde, befanden sich solche Systemkombinationen noch in den Kinderschuhen. Heute sieht dies ganz anders aus: Nachhaltigkeit und Klimaschutz gehören bei vielen Unternehmen in der Schweiz wie der Eistee in der Migros zum fixen Sortiment.