«Ich wünschte mir etwas mehr Selbstbewusstsein in unserer Branche»

Interview mit Marco von Wyl, Geschäftsführer Schweizerischer Verband für Kältetechnik (SVK)

Marco von Wyl

Geschäftsführer SVK

Stiftung KliK: Marco von Wyl, welchen Herausforderungen begegnen Sie im Alltag des SVK in Bezug auf Klimaschutz?

Die sich laufend ändernden Rahmenbedingungen sind wohl die grösste Herausforderung. Insbesondere die Anpassungen der Chemikalien-Risikoreduktions-Verordnung, kurz ChemRRV, fordern uns stetig. Diese ist ein Technologietreiber und die sich ändernden Technologien stellen hohe Anforderungen an die Fachkräfte. Fachpersonal ist sehr knapp. Sind die personellen Ressourcen in einem Unternehmen begrenzt, arbeitet dieses tendenziell mit bekannten Produkten und Technologien.

Welche Funktion übernimmt der Verband bei solchen Herausforderungen?

Wir stellen sicher, dass die notwendigen Informationen sowie Bildungsgefässe vorhanden und zugänglich sind. Die Themen Bildung und Kommunikation gehen wir sehr proaktiv an. Bei den stetig weiterführenden Vorgaben und Veränderungen haben Kältetechniker sicher nie zu wenig Arbeit; sie sind im Gegenteil oft sehr gefordert oder laufen gar am Anschlag. Das Spannungsfeld ist gross. Wir haben den Anspruch, die geltenden rechtlichen Vorgaben einzuhalten. Diese müssen aber auch umsetzbar sein.

Wo sehen Sie Chancen und Potenziale im Bereich klimafreundlicher Kälte?

Kältetechnik spielte in der Energie- und Wärmewende ein Schlüsselrolle, und die Fachleute sorgen dafür, dass Kältesysteme und Wärmepumpen störungsfrei und effizient funktionieren. Die Anwendungsbereiche sind vielfältig und meist unsichtbar für die Öffentlichkeit. Die «Kälteler» pflegen und optimieren bestehende Systeme, stellen die Dichtigkeit der Anlagen sicher und verhindern Kältemittelverluste. Kältetechniker leisten bereits heute aktiven Klima- und Umweltschutz und haben im Vergleich zu anderen Branchen mit ein paar hundert Unternehmungen, die die Kälteanlagen in unserem Land warten, einen grossen Hebel und auch eine grosse Wirkung. Hier wünschte ich mir manchmal etwas mehr Selbstbewusstsein in unserer Branche.

Welche Rahmenbedingungen sind notwendig, um eine noch mehr in die Zukunft gerichtete, klimafreundlichere Stossrichtung in der Kältetechnik einzuschlagen?

Die beiden wichtigsten Treiber auf dem Markt sind gesetzliche Rahmenbedingungen und ökonomische Überlegungen. Der Treiber Umwelt kann mit diesen beiden Faktoren nicht mithalten. Das merken wir nicht nur im Bereich der Kälte. Nicht zuletzt braucht es auch genügend Leute mit der richtigen Ausbildung, um Vorgeschriebenes umzusetzen.

Gelingt es durch finanzielle Unterstützung, die Transition zu nachhaltiger Kühlung hierzulande voranzutreiben?

Die wirkungsvollste Steuerung ist immer noch das Gesetz. Irgendwann werden klimaschädliche Kältemittel nicht mehr erlaubt sein. Vor dem Hintergrund des ökonomischen Aspekts können Förderprogramme daher viel bewirken, wenn es um den vorzeitigen Ersatz von Anlagen geht, ja. Sie leisten dort einen wichtigen Beitrag, wo die rote Linie – also ein Verbot – noch nicht erreicht ist. Förderung kann einen Prozess beschleunigen.

Wie sieht Ihrer Einschätzung nach die Zukunft bei Kühlanlagen in der Schweiz aus?

Die Schweizer Gesetzgebung wird sich weitgehend der europäischen F-Gas-Verordnung (über fluorierte Treibhausgase; Anm. d. Red.) angleichen. Die Branche bereitet sich auf diese Entwicklung vor und viele Unternehmen sind schon gut für die Zukunft gerüstet. Heikler sieht es zum Teil bei den Kunden aus. Die Umstellung auf natürliche Kältemittel bedingt teilweise erhebliche Investitionen. In eher margenschwachen Branchen kann das für Kunden problematisch sein. Der Wirt im Restaurant verkauft nicht mehr Bier, weil er seine Kälteanlage erneuert hat. Hier ist die Branche gefordert, möglichst einfache und bezahlbare Konzepte und Anlagen zu entwickeln, welche den Umwelt- und Effizienzvorgaben genügen.

Welche Innovationen oder neuen Technologien könnten die Branche revolutionieren?

Revolutionierung scheint mir ein zu grosses Wort. Die Tendenz geht klar Richtung natürliche Kältemittel. Aber auch diese beinhalten Herausforderungen: Toxizität, hoher Gasdruck, Brennbarkeit. Wir dürfen davon ausgehen, dass in den nächsten Jahren von den Herstellern viele neue Produkte und Bauteile für Anlagen mit natürlichen Kältemitteln auf den Markt kommen werden. Die Entwicklung läuft auf Hochtouren.

Wie will der SVK seine Mitglieder bei diesen Herausforderungen unterstützen?

Die Massnahmen sind umfangreich. Der Fokus liegt auf den Bereichen Bildung, Nachwuchsförderung und technische Unterstützung. Konkret bieten wir Schulungen für den Umgang mit brennbaren Kältemitteln, CO₂ und in Zukunft voraussichtlich auch NH₃ (NH₃: Ammoniak; Anm. d. Red.) an. Hierfür wurden Schulungskälteanlagen beschafft. An Berufsmessen begeistern wir regelmässig und mit Erfolg Jugendliche für die Kälteberufe. Und Fachleuten stellen wir Merkblätter oder digitale Arbeitshilfen zur Verfügung.

Mehr Informationen unter:

Schweizerischer Verband für Kältetechnik (SVK)
Den SVK gibt es seit 1955. Der Berufsverband der Kältebranche umfasst rund 300 Branchenunternehmen. Er befasst sich thematisch mit den Schwerpunkten gewerbliche Kälte, Industriekälte, Klimakälte und Wärmepumpen. Arbeitsschwerpunkte des SVK sind darüber hinaus Rahmenbedingungen wie Normen, Richtlinien, Verordnungen oder Merkblätter, die Aus- und Weiterbildung von Fachkräften und die Nachwuchsförderung.