Biogasanlagen sind Multitalente

Interview mit Fabienne Thomas, Leiterin Politik bei aeesuisse

Fabienne Thomas

Leiterin Politik bei aeesuisse

Welche Rolle spielen landwirtschaftliche Biogasanlagen für den Klimaschutz in der Schweiz?

Sie spielen eine sehr grosse Rolle, da sie den anfallenden Hofdünger gleich vor Ort verwerten und zu Energie verarbeiten können. Sie leisten einen Beitrag fürs Klima, indem sie Methan unmittelbar in ein geschlossenes System leiten und so von der Atmosphäre fernhalten.

Und für die Energieversorgung?

Eigentlich stellen Biogasanlagen in erster Linie Gas bereit, das als Brennstoff verwendet, aber auch zur Erzeugung von Prozesswärme in der Industrie eingesetzt werden kann. Ein zusätzlicher Vorteil ist die Möglichkeit zur flexiblen Produktion von Strom immer dann, wenn er benötigt wird, und zu dessen direkter Einspeisung in das öffentliche Stromnetz. Dabei kann der Strom entweder als Bandlast oder zur Abdeckung von Bedarfsspitzen produziert werden. Die Anlagen ermöglichen also die Erzeugung genau der Art von Energie, die gerade benötigt wird. Sie sind Multitalente!

Worin bestehen die politischen Herausforderungen?

Aus politischer Sicht ist der Ausbau von Biogasanlagen erwünscht, aktuell vor allem zur Einspeisung von Biogas ins Gasnetz. Zurzeit werden in der Schweiz nur 5 Prozent des Hofdüngers für Biogasanlagen verwertet. Dieses Potenzial soll stärker ausgebaut werden. Es geht immer um die richtige Art der Umsetzung. Eine grundlegende Frage ist, ob auf landwirtschaftlichen Betrieben eher kleinere Biogasanlagen mit Schwerpunkt Klimaschutz eingesetzt werden oder ob es grössere Biogasanlagen braucht, die näher an einer Gasleitung liegen. Nach wie vor ist dieser Punkt umstritten.

Ist das eine Frage der Raumplanung?

Genau. Im Rahmen des sogenannten Mantelerlasses zur Energiepolitik wird die Frage der Grösse zurzeit auf politischer Ebene diskutiert. Gesetzlich wurden Anlagen mit einer maximalen Volumengrenze von 45’000 Tonnen an Hofdünger oder anderen Substraten festgelegt. Damit können auch grössere Anlagen gesetzes- und zonenkonform installiert werden. 

Warum sind Biogasanlagen eine so teure Massnahme?

Um grössere Mengen Energie herzustellen, muss viel Hofdünger verarbeitet werden. Da die Energiedichte von Gülle und Mist nicht sehr hoch ist, müssen einer Biogasanlage täglich grosse Mengen an Substraten zugeführt werden. Das verursacht hohen Arbeitsaufwand, macht Transporte und grosse Gär- sowie Lagerbehälter notwendig und führt somit insgesamt zu hohen Betriebskosten. Die technische Komplexität der Biogasanlagen erfordert daher einen vergleichsweisen hohen Aufwand.

Heutzutage ist eine Biogasanlage nur mit Unterstützung des Einspeisevergütungssystems (EVS) und der Förderung der Stiftung KliK rentabel. Warum ist das so?

Aus den oben erwähnten Gründen sind die Kosten für Landwirte und Landwirtinnen zu hoch, als dass sie sie allein tragen könnten. Die Unterstützungsleistungen kommen aus verschiedenen Bereichen, was die Finanzierung komplex macht. Die Stromproduktion wird finanziell durch das EVS unterstützt. Hierbei ist das Ziel des Bundesamts für Energie, eine möglichst günstige Stromproduktion zu fördern. Im Klimaschutz geht es hingegen in erster Linie um die Reduktion von CO₂- und Methanemissionen sowie den Ersatz fossiler Energie. Aber auch hier gilt, möglichst die kostengünstigste Massnahme zu ergreifen. Offen bleibt der Beitrag der Landwirtschaft. Obwohl deren Methan- und Ammoniakemissionen die Umwelt stark belasten, sieht die Agrarpolitik momentan noch keine direkten Fördermittel zwecks Reduktion vor. 

Gibt es regulatorische Hürden?

Ja. Sie liegen hauptsächlich im Bereich der Raumplanung. Häufig werden Biogasanlagen in der Landwirtschaftszone, nahe dem Landwirtschaftsbetrieb gebaut. Hier bestehen jedoch viele Vorgaben, die bereits während des Planungsprozesses berücksichtigt werden müssen und bei denen es zu Einsprachen kommen kann.